Tagblatt: Klimadebatte setzt Fleischbranche unter Druck – St.Galler Nationalrat Mike Egger ärgert sich: «Manche sprechen über Fleisch, als wären es Zigaretten»
Durch die Klimabewegung ist Fleisch zum Politikum geworden. Die Fleischwirtschaft sieht sich zu Unrecht verteufelt. Der St.Galler SVP-Nationalrat und Metzger Mike Egger wehrt sich: Die Schweizer Fleisch- und Landwirtschaft mache viel, um möglichst ökologisch und tierfreundlich zu produzieren.Maja Briner 19.8.2019, 06:31 Uhr
Ein Stück Fleisch gehört für die meisten ab und zu auf den Teller. Wegen der Klimadiskussion dürfte der eine oder andere es sich aktuell aber zwei Mal überlegen, bevor er im Laden zu Steak oder Pouletspiessli greift. Denn nach dem Fliegen wird auch das Fleischessen zum Politikum. Klimaaktivistin Greta Thunberg sagt: Wer das Klima schützen wolle, sollte vegan leben.
In Deutschland wird darüber diskutiert, ob Fleisch mit einer Steuer verteuert werden soll. Auch in der Schweiz ist die Debatte angekommen. Unlängst forderten die Grünen, der Fleischkonsum müsse sinken. Nationalrat Balthasar Glättli verlangte in unserer Zeitung: «Wir müssen aus der Massentierhaltung aussteigen.»
Mike Egger, SVP-Nationalrat und gelernter Fleischfachmann, ärgert sich über solche Aussagen. «Manche sprechen über Fleisch, als wären es Zigaretten», empört er sich. «Dabei ist Fleisch gesund und wichtig für den menschlichen Körper.»
Die Schweizer Fleisch- und Landwirtschaft mache viel, um möglichst ökologisch und tierfreundlich zu produzieren. «Massentierhaltung wie in der EU gibt es bei uns nicht», sagt Egger, der bei einem grösseren Fleischunternehmen arbeitet. Viele Tiere würden hierzulande nach besonderen Label-Richtlinien gehalten – also tierfreundlicher und umweltschonender, als es das Gesetz vorsieht.
Branche unter Druck
Geht es Fleischessern bald wie Rauchern: die Produkte zusätzlich besteuert, der Konsum verpönt? Davon ist die Schweiz zwar weit entfernt. Die Klimadiskussion setzt die Fleischbranche aber unter Druck. Als der Branchenverband Proviande kürzlich die aktuellen Herausforderungen aufzählte, kamen die klimapolitischen Diskussionen gleich an erster Stelle.
Der Verband schrieb dazu, er wolle sich «verstärkt dafür einsetzen, dass die Branche sich für ihre Tätigkeit nicht rechtfertigen muss». Die Wortwahl zeigt: Die Fleischwirtschaft fühlt sich angegriffen. Dabei sei der Konsum in der Schweiz in den letzten 30 Jahren «schon deutlich gesunken», sagt Regula Kennel von Proviande.
Kennel wehrt sich dagegen, dass nun das Fleisch ins Visier genommen wird. Die Menschheit müsse grundsätzlich ihr Verhalten ändern, es gehe bei weitem nicht nur um Fleischessen oder nicht, betont sie. Und verweist auf einen grundlegenden Konflikt: Der weltweite Nahrungsmittelbedarf steigt, gleichzeitig werden Lebensmittel in manchen Regionen verschwendet, übermässige Landnutzung und Treibhausgasemissionen machen Probleme. Kennel sagt deshalb: «Die Zukunft liegt im massvollen Konsum und in der Wertschätzung der Nahrungsmittel – nicht nur beim Fleisch.»
«Von der Schnauze bis zum Schwanz»
Die Branche will Schweizer Fleisch als hochwertiges Produkt positionieren. Philipp Sax, stellvertretender Direktor des Schweizer Fleisch-Fachverbands, sagt, Ökologie sei schon seit geraumer Zeit ein Thema – nicht nur wegen des Klimas: «Wenn weniger Ressourcen verbraucht werden, können auch Kosten eingespart werden.»
Die Fleischbranche befürworte auch die Entwicklung zu mehr Qualität und Nachhaltigkeit. Sax sagt: «Aus unserer Sicht sind Dumpingpreise, wie sie teilweise im grenznahen Ausland anzutreffen sind, einem so wertvollen Lebensmittel wie Fleisch nicht würdig.»
Die Branche betont, sie mache schon viel in puncto Nachhaltigkeit. Sie setzt unter anderem auf das «Nose-to-Tail-Konzept»: Schlachttiere sollen möglichst vollständig verwertet werden – «von der Schnauze bis zum Schwanz». Denn während Filet und Entrecôte gerne gegessen werden, finden weniger beliebte Teile laut Proviande immer seltener den Weg auf den Teller. Mit dem Projekt «Savoir-Faire» will die Branchenorganisation das ändern. Ansetzen müsse man auch allgemein bei der Lebensmittelverschwendung, heisst es aus der Branche.
Kritiker finden indes, das genüge nicht. «Das ‹Nose-to-Tail-Konzept› ist sinnvoll, reicht aber bei weitem nicht aus, um die Emissionen aus der Tierhaltung gemäss den Vorgaben der Umweltziele Landwirtschaft zu reduzieren», betont Eva Wyss, Projektleiterin Landwirtschaft bei WWF Schweiz. Greenpeace nennt in seiner «Vision der Nutztierhaltung» eine Zahl: Der weltweite Fleischkonsum soll bis 2050 auf 16 Kilogramm pro Kopf sinken. Zum Vergleich: Heute sind es in der Schweiz rund 52 Kilo.