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Der Bund: «Diese Initiative ärgert mich nicht, sie wühlt mich auf»

7. September 2022 Medienbeitrag

Kurz vor 10 Uhr hält der Bus an der Neugass in Berneck an, einer kleinen Gemeinde im St. Galler Rheintal. Nur wenige Schritte von der Haltestelle, und man steht vor der «Braui». Das Gasthaus Brauerei wird seit drei Generationen von Mike Eggers Familie geführt. Hier hat der SVP-Nationalrat zusammen mit seinen drei älteren Schwestern seine Kindheit verbracht.

«Ich würde die Initiative genauso bekämpfen, wenn ich nicht in der Fleischbranche wäre.»

Wenig später fährt ein grauer Kia auf den Parkplatz hinter dem Restaurant. Mike Egger steigt aus: helle Hose, dunkelblaues Hemd, Kopfhörer locker um den Hals. «Grüezi, ich bin der Mike», sagt er nach einem kräftigen Händedruck. Unter den blauen Sonnenschirmen sitzen an diesem Morgen Ende August bereits die ersten Gäste. Egger hält kurz an, wechselt gut gelaunt ein paar freundliche Worte. Politiker-Small-Talk wie aus dem Lehrbuch.

Die Braui, das ist für Egger eine emotionale Geschichte. Als Vater Peter im Herbst 2021 ein Jahr vorseiner Pensionierung beschloss, den Betrieb wegen der Zertifikatspflicht zu schliessen, traf es den Sohn hart. Es sei ihm noch nie so schwergefallen, eine Mitteilung zu verfassen, sagte er damals dem «St. Galler Tagblatt». Inzwischen hat Schwester Nadine das Restaurant übernommen, und seit Juni ist es wieder geöffnet. Egger freut sich über die «super Lösung». Er selber sitzt im Verwaltungsrat des Familienunternehmens.

Zum Restaurant gehört auch eine kleine, hauseigene Metzgerei. Hier wird aber nicht geschlachtet, sondern nur das Fleisch verarbeitet – zu Koteletts, Würsten oder Fleischkäse: Egger nimmt eine gefüllte Form aus dem Kühlschrank. «Ganz frisch», sagt er. Die Spezialität des Hauses ist das Cordon bleu vom Schwein; Eggers Lieblingsgericht ist jedoch das Rindshuftsteak an einer Pfeffersauce mit Nüdeli, Bohnen und Rüebli. Er esse fast täglich Fleisch, mit gutem Gewissen, aber nicht jeden Tag ein Steak.

Ein Zeichen auf Lebenszeit

Egger, 30 Jahre alt, ist gelernter Metzger, wie schon sein Vater und davor sein Grossvater. Aus Leidenschaft, aus Überzeugung; auch das eine emotionale Geschichte. Als er noch in der Ausbildung war, liess er sich seine Berufsbezeichnung in japanischer Schrift auf den Rücken tätowieren. Er finde die japanischen Schriftzeichen sehr ansprechend, sagt er. Ein Zeichen auf Lebenszeit. Mittlerweile arbeitet er nicht mehr in der Produktion, sondern ist beim Migros-Fleischverarbeiter Micarna für die Geschäftsentwicklung zuständig. Eggers Alltag: Fleisch.

Und so ist die Massentierhaltungsinitiative, die am 25. September zur Abstimmung kommt, für den SVP-Nationalrat nicht nur ein Affront gegen die Landwirtschafts- und Fleischbranche. Er sieht sie auch als Angriff gegen seinen Berufsstand. Er sagt: «Diese Initiative ärgert mich nicht, sie wühlt mich auf.»

Schon der Titel «Initiative gegen Massentierhaltung in der Schweiz» sei falsch. Denn Egger ist überzeugt: In der Schweiz gibt es keine Massentierhaltung. Diese Behauptung ist zwar höchst umstritten, doch gibt es keine gesetzliche oder wissenschaftliche Definition für den Begriff Massentierhaltung. Und jeden, der behauptet, das Tierwohl werde zu wenig geschützt, lädt Egger ein, sich selbst ein Bild zu machen: «Besuchen Sie einen landwirtschaftlichen Betrieb, egal welchen – Sie werden staunen.»

Knapp die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer scheint seiner Meinung zu sein. Wie eine kürzlich publizierte Umfrage von Tamedia und «20 Minuten» zeigt, unterstützen nur 48 Prozent die Initiative. Mitte August kam eine SRG-Umfrage noch auf eine Zustimmung von 51 Prozent. Egger ist dennoch besorgt. «Die Vorlage ist für mich neben der Energiekrise eines der wichtigsten Geschäfte dieser Legislatur. Ein Ja wäre verheerend», sagt Mike Egger. «Wir müssen das verhindern.»


Mehrmals pro Woche nimmt Egger an Abstimmungspodien teil, tritt an Anlässen auf, reist in den Thurgau nach Egnach, wo die «SVP bi de Lüt» ist, oder nach Neunkirch im Kanton Schaffhausen. Dabei spart er nicht mit Anschuldigungen gegen die Initianten. Er wirft ihnen vor, «einen jahrelangen Spiessrutenlauf» gegen die Landwirtschaft und die Fleischwirtschaft zu betreiben.

Umgekehrt beschimpfen diese ihn als Lobbyisten, als Sprachrohr von Micarna. Dagegen wehrt sich Egger dezidiert. Er sei ein leitender Angestellter bei einer führenden Fleisch-verarbeiterin ohne politischen Auftrag, sagt er. Seine Stimme wird lauter. «Und glauben Sie mir, ich würde die Initiative genauso bekämpfen, wenn ich nicht in der Fleischbranche arbeiten würde.»

Gmögig wie Toni Brunner

Es ist Mittagszeit, die Gaststube der Brauerei füllt sich allmählich. Neugierig blicken die Gäste zum Tisch von Nationalrat Egger hinüber. Er schaut sich um, winkt den beiden Frauen zu, die soeben Platz genommen haben, und begrüsst die Gäste am Tisch nebenan; die meisten kennt er. «Grüezi zäme, gehts euch gut?»

Immer ein Lächeln, ein freundliches Wort, ein bisschen Aufmerksamkeit für die Leute, die ihm begegnen – es ist Mike Eggers wohlwollende Art, dieses Gmögige, das einen an Toni Brunner erinnert (und für eine Nicht-Ostschweizerin: der Dialekt). Der «Beobachter» schrieb einmal über den früheren SVP-Präsidenten und Nationalrat: «Blocher oder Mörgeli kann man hassen – einen Toni Brunner nicht.» Hart in der Sache, sehr hart sogar, aber smart im Auftreten.

Daran scheint sich auch Egger zu orientieren: Er lebt zwar in seiner Welt, teilt sie aber auch gern mit anderen. Während der Session wohnt er zusammen mit dem Freisinnigen Andri Silberschmidt und der Grünen Franziska Ryser in Bern in einer Parlamentarier-WG. Das sei super, sagt er. Es gebe immer ganz gute Gespräche.

Egger lässt aber nie einen Zweifel daran, wo er selbst hingehört. Er erzählt, wie er und seine Parteikollegen Thomas Aeschi, Thomas Matter und Manuel Strupler während einer gemeinsamen Retraite im Toggenburg bei Toni Brunner im Landgasthof Haus der Freiheit ein politisches Projekt für das Wahljahr 2023 ausgeheckt haben. Er sagt: «Wir sind bereit.»

Es geht dabei um eine «Nachhaltigkeitsinitiative», über welche die CH-Media-Zeitungen gestern berichtet haben. Die SVP möchte damit das Bevölkerungswachstum eindämmen und den Bundesrat zu Massnahmen verpflichten, sobald die Schweiz bei der ständigen Wohnbevölkerung die Schwelle von 9 Millionen überschreitet. Bei 9,5 Millionen müsste der Bundesrat die Personenfreizügigkeit mit der EU neu aushandeln und diese bei 10 Millionen sogar kündigen. Ende 2021 zählte die Schweiz 8’736’500 Personen.

Loyalität ist ihm wichtig

Bereits bei den Nationalratswahlen 2015 machte Egger auf sich aufmerksam, damals mit einem Song im Mani-Matter-Stil, den ein Kollege für ihn komponiert hatte. Es reichte zwar nicht für einen Sitz, er schnitt aber so gut ab, dass er Ende 2018 als 25-Jähriger für Brunner in den Nationalrat nachrückte. Und dort steht Egger für den harten Kurs, den die SVP in Migrations- oder Europafragen fährt. 2021 kämpfte er im Kanton St. Gallen als Kampagnenleiter an vorderster Front für die Begrenzungsinitiative und scheute sich nicht, Parteikollegen wie den Stadler-Rail-Chef Peter Spuhler zu kritisieren, weil sie sich gegen die Partei stellten. «Ich finde es bedauernswert, wenn verdiente Mitglieder dieser Grössenordnung eine Initiative ihrer eigenen Partei nicht unterstützen», sagte Egger dem «St. Galler Tagblatt».

Loyalität ist Egger wichtig. Es hat mit Verpflichtung zu tun und mit Dankbarkeit. Gegenüber der Familie, dem Arbeitgeber, der Partei. Oder gegenüber Lukas Reimann, dem einstigen «Sonnengesicht» der SVP, wie ihn die NZZ einmal bezeichnete. Inzwischen hat Reimann, der wie Egger und Brunner aus dem Kanton St. Gallen stammt, einen schweren Stand innerhalb der Partei. Weil er nicht stur mitläuft und immer wieder sein eigenes Ding macht, etwa bei der Transparenz- oder der Justizinitiative.

Mike Egger aber hält zu ihm. Er war Reimanns persönlicher Mitarbeiter; heute sitzt er neben ihm im Nationalrat. Er weiss, wie er tickt, und wenn es darum geht, sich für mehr Transparenz beim Lobbying einzusetzen, dann tickt Egger gleich. Er sagt: «Reimann ist ein guter Freund und wichtig, auch für die Partei.»

In der Braui in Berneck sind nur noch wenige Plätze frei. Egger schaut auf die Uhr, er muss weiter. Zum Schluss möchte er aber noch etwas präzisieren. Er esse im Fall nicht nur Fleisch. Eine ausgewogene Ernährung sei ihm wichtig – mit frischem Gemüse. Aus der Schweiz!

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