Blick: SVP-Egger mit umstrittenem Vorschlag: Wer Überstunden macht, soll belohnt werden
SVP-Nationalrat Mike Egger will Überstunden attraktiver machen. Wer mehr arbeitet als nötig, soll das von den Steuern abziehen können. Bei der Gewerkschaft Unia läuten die Alarmglocken.
Das Rezept von SVP-Nationalrat Mike Egger (30) gegen den Fachkräftemangel ist simpel: mehr arbeiten! Der St. Galler will, dass steuerlich belohnt wird, wer Überstunden macht.
Konkret sollen Arbeitnehmerinnen und -nehmer auf ausbezahlte Überstunden künftig keine Steuern mehr zahlen müssen. In einem Vorstoss fordert der St. Galler den Bundesrat auf, das Gesetz entsprechend anzupassen.
Anreiz, 100 Prozent zu arbeiten
Heute rentiere es sich für Vollzeitangestellte nicht, mehr zu arbeiten, kritisiert Egger. Denn mehr Lohn bedeutet mehr Steuern. «Es kann unter gewissen Umständen somit attraktiver sein, Teilzeit zu arbeiten anstatt Vollzeit.»
Egger arbeitet Teilzeit und würde damit von seinem eigenen Vorschlag nicht profitieren. Denn nur wer 100 Prozent arbeitet, soll gemäss seiner Forderung den Überstunden-Abzug bei der Steuererklärung machen können. So soll der Anreiz geschaffen werden, Vollzeit zu arbeiten. Ausserdem wird so verhindert, dass der Abzug zum Steuertrick wird.
Der SVP-Nationalrat ist überzeugt, dass sein Vorschlag auch im Interesse der Unternehmen ist, die händeringend nach mehr Personal suchen. Das Fachkräfteproblem lösen könne man damit nicht, räumt er ein. «Aber es wäre zumindest ein Beitrag.»
Gewerkschafterin Alleva warnt
Bei Fabio Regazzi (60), Mitte-Nationalrat und Präsident des Gewerbeverbands, stösst der Vorschlag allerdings auf Skepsis. «Es ist zu bezweifeln, dass mit einem Steuerabzug für Überstunden der Fachkräftemangel wirksam gelindert wird», sagt er. Überstunden würden für KMUs viel bürokratischen Aufwand bedeuten. Ein weiterer Haken: Die meisten geleisteten Überstunden werden gar nicht ausbezahlt.
Vania Alleva (54), Präsidentin der Gewerkschaft Unia, warnt: «Überlange Arbeitstage sind für die Arbeitnehmenden körperlich und psychisch belastend und führen erwiesenermassen zu mehr Unfällen und Berufserkrankungen.» Zudem weist Alleva darauf hin, dass das Arbeitsgesetz eine Höchstarbeitszeit festlegt – je nach Job sind es 45 oder 50 Stunden. «Eine steuerliche Privilegierung von Überzeit-Arbeit wäre nicht nur gesundheitsschädlich, sie würde das Arbeitsgesetz geradewegs ad absurdum führen», sagt sie.
Zudem: Den Fachkräftemangel mit der Erhöhung der individuell geleisteten Arbeitszeit zu beheben, könne nicht funktionieren. «In Berufen mit Fachkräftemangel ist der Druck auf überlange Arbeitszeiten nämlich bereits heute schon hoch. Eine weitere Arbeitszeiterhöhung wird diese Berufe nur noch unattraktiver machen und damit den Fachkräftemangel weiter verstärken.»